Julia Siegmund malt traumwandlerische Bilder. Sie entrückt sie aus Zeit und Raum und überzeugt den Betrachter, dass Assoziationen der schönsten Logik überlegen sein können. Auf zarten Farbflächen platziert sie Fabel- und Kriechtiere, Steine und Fußabdrücke, Gefäße und Pilzfüßler, schemenhafte Figuren in lakonische Nachbarschaft. So wie sie dazu Linien und geheimnisvolle Chiffren aus dem tief geschichteten Bildgrund holt, glaubt man ihr sofort, dass es auch andere Wirklichkeiten gibt.

Die 31jährige Künstlerin wurde in Friesoythe geboren. Schon parallel zur pädagogischen Ausbildung hat sie auf freie Kunst gesetzt und wurde in dieser Entscheidung durch mehrere Kunstpreise bestätigt. Sie hat schnell eine fertige und überzeugende Bildsprache entwickelt, die sich wohltuend von Moden und gefälligem Nachahmen absetzt. Ein ausbalanciertes Zusammenspiel von Malerei und Grafik, von Fläche und Linie und ein souveräner Umgang mit der Radierung sind ihre Ausgangsbasis dafür.

Ihre Bildthemen spielen gern auf Alltägliches an. „Wer hat den frühen Morgen erfunden“ fragt sie dann etwa mit H.C. Artmann oder berichtet in kleinformatiger Bilderfolge „Der Tag bestand aus Einzelheiten“. Und siehe da, schon macht der Alltag eine höchst poetische Wandlung durch. Inspiration bezieht sie aus zeitgenössischer Lyrik, wie viele Bildtitel verraten. Darüber hinaus schlägt sie auch größere thematische Bögen. Dann schöpft sie aus dem Motivfundus, den Mythen und Märchen bieten und in dem Utopien und Sehnsüchte, Geträumtes und Verdrängtes aufgehoben sind. Märchen, sagt Julia Siegmund, helfen dem Menschen, zu sich selbst zu finden. Gut möglich, dass ihre vieldeutigen Arbeiten auch deshalb gebraucht werden.

Dr. Irmtraud Rippel-Manß, Oldenburg