(…) Horizontale, Himmelsblau, Wiesengrün und Wasser – das sind die Formen, Farben und Elemente, die Julia Siegmund mit dem Norden verbindet. In ihrem Bild, das den Untertitel „Schwimmer“ trägt, fließen diese Elemente buchstäblich ineinander. Bevor der Betrachter die Szene liest, bevor er die einzelnen Schichten identifiziert und Bildteile entziffert, nimmt er eine Grundstimmung wahr. Und die kann kaum anders als lyrisch genannt werden. Der poetische Klang hat einen Namen: H.C. Artmann. Der österreichische Dichter beeinflusst die Künstlerin nachhaltig. Seine Naturlyrik fußt nicht im Norden, doch auch dieser hat poetische Momente und Julia Siegmund liest sie auf. Ihre „Schwimmer“ haben feste Konturen, Farbwülste aus der Tube formen ihre Körper. Die grafische und zugleich plastische Modellierung der Figuren verschmilzt mit dem malerischen Grund. Die Schwimmer sind durchlässig. Die Körperformen liegen auf einer bewegten, malerisch binnendifferenzierten Fläche aus Wasser, Himmelsabbild und stilisierten Pflanzen. In diesem Blaugrün aus realer und imaginärer Tiefe schweben und tauchen die Protagonisten eines unbeschwerten Spiels, in das jeder Betrachter dank nicht ausformulierter Physiognomie eigene Kindheitserinnerungen einfließen lassen kann. Lichte Körperlichkeit, getragen und umschlossen von Wasser, kommt im Wechselspiel von Grafik und Malerei mit plastisch-räumlicher Anmutung zu sinnlicher Gestalt und poetischem Gehalt.
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Dr. Rainer Beßling, Katalogtext zur Ausstellung „22 IM NORDEN“